König RZ und die Cloud-Revolution

Die Public Cloud, so revolutionär sie auch scheint, ist schlicht das RZ eines anderen – eines anderen, der weiß, wie man ein solches effizient, agil und hoch skalierbar betreibt. Zum neuen Standard entwickelt sich indes die Hybrid Cloud: das Nebeneinander von Public Cloud und unternehmenseigener, oft lokal betriebener Private Cloud. Nur: Wie kommt man möglichst elegant vom traditionellen RZ zur Private Cloud? Und wie zettelt man diese Revolution an?

Revolutionen schubsen Könige auf unterschiedliche Weise vom Thron: Man sagt sich vom König los und eröffnet ein eigenes Reich (die US-Variante); man stürmt die Bastille und macht tabula rasa (das Rezept à la Française, #Guillotine); man entmachtet den König scheibchenweise, bis er zur Galleonsfigur geschrumpft ist (very British!); oder man wartet, bis sich der König (oder Kaiser) durch einen verlorenen Weltkrieg ins Aus geschossen und ins Exil abgesetzt hat, um auf dem Scherbenhaufen neu anzufangen (Schlaaand!).

Im Reich der IT schien die Cloud-Revolution drauf und dran, das alteingesessene Rechenzentrum vom Thron zu stoßen. Doch Datenschutzbedenken, Sorgen um Latenz und Compliance sowie Misstrauen gegenüber US-amerikanischen Cloud-Giganten (Hyperscaler) ließen die wolkigen Revolutionsgarden hierzulande nur langsam vorrücken.

Inzwischen zeigt sich: Die Bedenken mögen überzogen gewesen sein, ganz unberechtigt waren sie nicht. Der Nachfolger des Safe-Harbor-Abkommens mit den USA muss sich erst noch vor dem EU-Gerichtshof beweisen, und Diskussionen um Datenhoheit, Compliance, Kosten und Latenz führten zu Nachfrage nach hybriden Mischungen aus Public-Cloud-Instanzen und lokaler IT. Letztere ist im Idealfall eine Private Cloud, damit ähnlich flexibel und effizient wie die Angebote der hyperskalierenden Bastille-Stürmer.

Konterrevolutionärer Sand im Cloud-Getriebe

Doch eines steht der Hybridrevolution im Weg: Herkömmliche Rechenzentren mit ihren alteingesessenen dreischichtigen („Three-Tier“) Applikationen versprühen nicht unbedingt Cloud-revolutionären Che-Guevara-Elan. Deshalb propagiert manch ein Anbieter hyperkonvergente Infrastrukturen (Hyperconverged Infrastructure, HCI): Ein Unternehmen virtualisiert seine Bestandapplikationen und packt sie auf standardisierte Hardwarebausteine mit Automationssoftware, um sie dynamisch betreiben und skalieren zu können.

„Unser Anliegen ist es, Rechenzentrums-Architekturen zu modernisieren“, erklärt Peter Goldbrunner, Vice President und General Manager Central Europe beim HCI-Vorreiter Nutanix. „Wir nehmen Komplexität heraus, indem wir traditionelle Three-Tier-Umgebungen ablösen, und können damit bis zu 30 Prozent an Einsparungen realisieren.“

Peter Goldbrunner, Vice President und General Manager Central Europe bei Nutanix. Bild: Nutanix

Der Fokus beim Thema HCI habe sich verlagert: „Vor drei, vier Jahren gab es im HCI-Markt noch relativ viele Marktteilnehmer, vor allem die Hardwarehersteller, aber die Reihen haben sich gelichtet“, sagt Goldbrunner. HCI befinde sich heute in einer „neu definierten Situation“: „Es geht nicht mehr um Hardware, sondern die Software steht im Vordergrund, was anhand der unterschiedlichen Angebote gut zu erkennen ist.“ Kein Wunder: Schließlich gibt die Software den Ausschlag für den automatisierten, agilen und damit kostensparenden Betrieb.

HCI: Von Hardware zur Software

Und so sind die beiden Marktführer in diesem Segment heute laut einem Forrester-Report vom Oktober letzten Jahres VMware und Nutanix. Virtualisierungsgigant VMware verfügt über eine riesige Kundenbasis und laut Forrester mit dem Angebot vSAN über solide Hybrid-Cloud-Funktionalität. Nutanix wiederum bietet mit AHV eine eigene Virtualisierungsalternative, die als sehr anwenderfreundlich gilt (unterstützt aber zugleich VMware ESXi). Zudem punktet der Anbieter laut Forrester mit vielfältigen nützlichen Zusatzfunktionen.

Morgenluft schnuppert Nutanix, seit der Broadcom-Konzern letzten Herbst den mächtigen Konkurrenten geschluckt hat, was im VMware-Portfolio, -Channel und -Kundenstamm für Unruhe sorgte. „Rückenwind verschafft uns, dass sich viele Unternehmen eine Second-Vendor-Strategie wünschen“, sagt Goldbrunner und verweist auf einen weiteren Etappensieg: „Cisco hatte mit HX ein eigenes HCI-Angebot. Diese Lösung ist inzwischen abgekündigt, Ciscos Nachfolgeangebot basiert auf Nutanix.“ Revolutionen fressen eben immer mal wieder ihre Kinder.

Hybrid-Cloud-Revolution

HCI startete einst, in vorrevolutionärer Zeit, als Speziallösung für konkrete Einsatzfälle wie z.B. Virtual-Desktop-Infrastrukturen (VDI). Doch dieser Nische ist der Markt, wie Goldbrunner betont, längst entwachsen: „Die häufigsten Workloads sind heute – noch vor VDI – klassische RZ-Workloads, Datenbanken, Container/Kubernetes-Applikationen oder auch Big Data“, sagt er.

„Container/Kubernetes“ bedeutet dabei: Die Nutanix-Lösung kann auch mit Cloud-nativen Applikationen umgehen – wie es der Begriff „Private Cloud“ impliziert, auch wenn damit oft nur Virtualisierung plus Automation gemeint ist. Damit, so Goldbrunner, biete man eine Plattform für alle Daten und alle Anwendungen: „HCI ist heute keine Nische mehr, sondern eine Plattform für die Modernisierung des Rechenzentrums: vom RZ zur agilen, flexiblen, skalierbaren, automatisierten Private Cloud.“

Deshalb sieht er den HCI-Ansatz hauseigener Bauart als Wegbereiter für die derzeit gefragten Hybrid-Cloud-Architekturen: „Hier bietet Nutanix eine Brückenmöglichkeit an“, sagt er. „Denn für die Nutanix-Software spielt es keine Rolle, auf welcher Hardware oder in welcher Cloud sie läuft. Die Software ist zu 100 Prozent identisch, ohne zusätzliche Lizenzkosten.“

Neben der RZ-Modernisierung sieht der Nutanix-Manager das Edge Computing (also die Datenverarbeitung nahe der Datenquelle, etwa direkt in einer Fabrikhalle) als weiteren wichtigen Einsatzfall für HCI-Technik: „Hier braucht man Daten vor Ort, aber eine Three-Tier-Umgebung ist hier zu aufwendig und zu kompliziert“, argumentiert er. „Mit Nutanix brauche ich kein IT-Team vor Ort, denn die Umgebung lässt sich vollständig remote managen und ist sehr einfach aufzubauen wie auch in Betrieb zu nehmen. Deshalb macht dies in unserem aktuellen Geschäft einen signifikanten Anteil aus.“ So bauten z.B. große Firmen aus der Automobilbranche auf diesen Ansatz.

… und KI-Revolution

Eine Revolution jagt in der IT die andere, es ist die reinste Revolutions-Drehtür. Aktuelle Variante: die KI-Revolution. Das lukrative Geschäft mit künstlicher Intelligenz will Nutanix sich natürlich nicht entgehen lassen. Letzten Sommer hat der US-Anbieter deshalb mit GPT-in-a-Box eine Umgebung speziell für den Einsatz künstlicher Intelligenz – also mit KI-typisch üppiger Ausstattung an Grafikprozessoren (GPUs) – nebst passenden Dienstleistungen vorgestellt. „Damit können Anwenderunternehmen sofort mit KI-Projekten loslegen“, verspricht Goldbrunner. „Data Science braucht RZ-Power, aber interne Bereitstellungsprozesse dauern oft Monate, das ist viel zu langsam. GPT-in-a-Box bietet hier eine extrem performante Out-of-the-Box-Lösung, um KI-Anwendungen automatisiert zu betreiben.“

Allem KI-Rummel zum Trotz: In Zeiten von Ransomware & Co. ist Security laut dem Nutanix-Mann ein Hauptgrund für Investitionen in HCI. „Anders als die IT-Modernisierung hat das einen zwingenden Grund und entsprechend hohe Priorität“, sagt er. Der HCI-Vorteil: Je standardisierter und automatisierter eine Umgebung ist, desto leichter sei sie zu schützen. Es sprächen aber noch weitere Argumente für Nutanix’ Ansatz: „Unsere Mikrosegmentierung bietet Schutz z.B. vor Ransomware, und mit Data Lens ermöglichen wir zudem die Isolierung und Wiederherstellung der Umgebung innerhalb von 20 Minuten.“ Über offene APIs arbeite Nutanix mit den namhaften Security-Anbietern zusammen.

Als Nächstes will der HCI-Spezialist aus dem Silicon Valley ein Problem angehen, das viele Multi-Cloud-Kunden plagt, also Unternehmen, die mehrere Cloud-Anbieter parallel nutzen: „Im Project Beacon arbeiten wir daran, Hyperscaler-übergreifend Daten ohne ein großes Migrationsprojekt transportabel zu machen“, so Goldbrunner. Dabei steht Nutanix aber noch recht am Anfang: „Wir laden unsere Kunden ein, hier Input zu geben“, sagt er. „Daten sind das neue Gold, das verstehen immer mehr Menschen. Deshalb ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um diesen Dialog zu führen.“

Ein Anbieter aus dem Silicon Valley, der die Kunden erst mal fragt, was sie tatsächlich brauchen? Das ist ja mal wirklich revolutionär! Vor allem aber kann das Vorhaben den Unternehmen viel Geld sparen. Denn Datenexporte aus der Public Cloud können ein geradezu königlich teures Vergnügen sein, was immer wieder für Unmut sorgt. Angesichts dieser Vormärz-Stimmung hat Google jüngst angekündigt, seinen Kunden solche Datenexporte künftig kostenlos zu ermöglichen.

Es tut sich also einiges in der Reich der hybriden Multi-Cloud. Das Unternehmens-RZ ist dabei keineswegs der Alteisenpalast, als den ihn die Revoluzzer-Rhetorik der Hyperscaler häufig inszeniert. Vielmehr kann das RZ – stimmig modernisiert – auch in einer Cloud-Welt weiterhin kräftig mitmischen. Der König ist tot, es lebe der König!

*****

Hat Ihnen dieser Text gefallen? Dann erzählen Sie doch einem Menschen davon, den das Thema ebenfalls interessieren könnte! Denn liebevoll von Hand erstellte Inhalte verbreiten sich am besten per Mundpropaganda.

Lust auf mehr Artikel dieser Art? Nichts leichter als das! Einfach hier den IT Info 2 Go Newsletter abonnieren! (Achtung: Double-Opt-in wg. DSGVO! Es kommt also eine E-Mail mit Link zur Bestätigung, deshalb bitte ggf. Spam-Ordner checken!)

Bild: Dr. Wilhelm Greiner, KI-generiert mittels NightCafé