Grüner Wolkengipfel

Google hielt Ende Juni 2022 den Sustainability Summit ab, die erste Online-Veranstaltung von Googles Cloud-Organisation zum Thema Nachhaltigkeit. Die Cloud-Größe stellte diverse Neuerungen vor, mit denen Unternehmen und Organisationen ihre Klimaaktivitäten auf eine solide Datenbasis stellen und beschleunigen können. Ergänzend präsentierte der Konzern in Interviews und Einspielern zahlreiche Anwendungsfälle. Und doch bleibt ein Unbehagen.

Google-Cloud-CEO Thomas Kurian betonte eingangs, wie sehr Google die Nachhaltigkeit am Herzen liege, sie sei eine Top-Geschäftspriorität. Er sieht zwei Trends: Erstens fordern Konsumenten, Beschäftigte, Investoren und die Politik von den Unternehmen Nachhaltigkeitsbemühungen und Transparenz; zweitens sehen laut einer Umfrage drei von vier Führungskräften in Nachhaltigkeit einen Treiber für ihr Business.

Vor diesem Hintergrund führt Google eine „Cloud Ready Sustainability“-Kennzeichnung ein, damit Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit verifizierte Partnerlösungen schnell erkennen können. Diese Lösungen sind nun auf dem ebenfalls neuen „Sustainability Hub“ innerhalb von Googles Cloud Marketplace erhältlich. „Wir hoffen, dieser Summit inspiriert Sie zum Mitmachen“, so Kurian.

Kate Brandt, Chief Sustainability Officer bei Google, erinnerte daran, dass Google 2017 „die erste größere Company“ gewesen sei, die 100 Prozent Stromversorgung mit erneuerbaren Energien erzielte. Das aktuelle Ziel ist es, bis 2030 Klimaneutralität („Net Zero“) für alle Betriebsabläufe zu erreichen. Brandt betonte, Google wolle alle Anwenderunternehmen dabei unterstützen, möglichst nachhaltig zu agieren: „Wir bei Google sind bemüht, all unseren Kunden die Entscheidung für Nachhaltigkeit zur einfachsten Option zu machen.“

Hierfür zeigt nun das Administrations-Interface von Google Cloud den CO2-Fußabdruck der Cloud-Umgebung eines Anwenderunternehmens an. Außerdem sei nun Google Earth Engine auf Google Cloud allgemein verfügbar. Google Earth Engine dient dazu, auf der Basis von Googles Satellitenbildern die Veränderungen der Natur im Zeitverlauf zu verfolgen, zum Beispiel die Rodung des Urwalds im Amazonas (siehe Bild oben). Mittels Googles KI-Algorithmen lassen sich dann Analysen und Prognosen erstellen.

Unilever zum Beispiel verwendet Google Earth Engine laut Brandt, um umweltfreundlichere Entscheidungen treffen zu können, etwa beim Anbau von Palmöl. Die US-Forstbehörde wiederum nutze das Angebot, um Waldbrände und Insektenbefall zu erforschen. Auf Googles Datenbasis, so Brandt, könne man die jeweiligen Klimarisiken modellieren und die Resilienz erhöhen.

Das Kernthema der Veranstaltung aber war die Nutzung von Daten, um Nachhaltigkeitsbemühungen mit einer Baseline zu versehen, durchzuführen und zu verbessern. Dazu hat Google letztes Jahr die „Carbon Footprint“-Angebote vorgestellt. Neu ist, dass Carbon Footprint nun um Scope 1 und Scope 3 erweitert wurde. Unternehmen sollen damit ihre Treibhausgasemissionen durchgängig erfassen und dokumentieren können. Nächstes Jahr soll Carbon Footprint for Google Workspace folgen.

Hilfreich: Bei der Einrichtung von Cloud-Umgebungen bietet Googles Verwaltungsschnittstelle nun die Möglichkeit, einen „Low-Carbon-Modus“ auszuwählen, sprich: Cloud-Ressourcen in einer Gegend aufzusetzen, deren Energieversorgung einen besonders niedrigen CO2-Verbrauch aufweist. Mittels Scheduling kann man Ressourcen dann betreiben, wenn Sonne und Wind verfügbar sind.

Datenanalysen für mehr Nachhaltigkeit

Während des Summits illustrierte Google die Möglichkeiten, seine umfassenden Datenanalysefunktionen zugunsten von mehr Nachhaltigkeit einzusetzen, an einer Reihe von Kundenbeispielen. Dazu zählte Spotify (der schwedische Anbieter hat für diesen Zweck ein Climate Engineering Handbook und ein offenes Entwicklerportal erstellt) ebenso wie Salesforce, die ihren CO2-Fußabruck mit Googles Hilfe um 80 Prozent verringern wollen.

Die Beispiele stammten aber bei Weitem nicht nur aus dem Cloud-Service-Markt: Der Anbieter Agrology will Landwirten ermöglichen, Klimarisiken für ihre Ernte frühzeitig zu erkennen. Dazu stattet das Unternehmen die Felder mit Sensoren im Boden und an den Pflanzen aus und zieht zur Auswertung ML-Modelle in der Google Cloud und Bilder von Google Earth heran.

Jamie Herring, Präsident von Climate Engine, erläuterte, wie sein Unternehmen Finanzinstitute mit KI- und Cloud-Unterstützung dabei hilft, Klimarisiken in bestimmten Märkten besser abzuschätzen. Und Ed Sniffen von Hawaiis Verkehrsministerium beschrieb, wie seine Behörde mit Google-Daten den Einfluss des Klimawandels auf die Infrastruktur des US-Bundesstaats im Auge behält, darunter Küstenerosion, Lavaflüsse, Steinschlag und die Brandung. Auf dieser Datenbasis habe man einen Klima-Anpassungsplan erstellt.

Der in den USA sehr beliebte Astrophysiker Neil deGrasse Tyson (das US-Pendant zu Harald Lesch) diskutierte in einer extra für den Google Summit erstellten Folge seines Podcast „StarTalk“ mit NASA-Klimaforscherin Dr. Kate Marvel die Herausforderungen der Klimaforschung. Die NASA arbeitet für ihre Klimamodelle laut Marvel mit 15 PByte Daten zu Temperatur, Niederschlag, Bodenfeuchte, Eis etc.

Das Problem: „Daten verändern die Einstellung der Menschen nicht“, so der Klimaforscherin. „Was ihre Einstellung verändert, sind Geschichten, die von Boten erzählt werden, denen sie vertrauen.“ Den Sorgen und Ängsten vieler Menschen stellte sie folgenden Gedanken entgegen: „Wir haben Glück, in diese Zeit hineingeboren zu sein, denn wir leben in einer Zeit, in der wir die Dinge noch zum Besseren wenden können.“

Hierzu passen natürlich Googles Bemühungen um einen nachhaltigeren Cloud-Betrieb sehr gut. Kate Brandt betonte, Google unterhalte bereits jetzt „die sauberste Cloud der Branche“, wolle diese Bemühungen aber noch weiter treiben: Man habe sich vorgenommen, nicht nur im Schnitt klimaneutrale Energie zu beziehen, sondern rund um die Uhr („24/7“) – und dies bis 2030 in jeder Region weltweit. Dazu sei Google dem „24/7 Carbon-Free Energy Compact“ der Vereinten Nationen beigetreten.

Googles Sustainability Summit machte deutlich: Das Potenzial von Daten, Clouds und KI-Algorithmen für die Arbeit an einer nachhaltigen Zukunft ist beachtlich – sowohl für den Cloud-Konzern selbst als auch für Anwenderunternehmen und Behörden.

Im Hintergrund aber schwebt stets ein Umstand, der auf dem Summit unangesprochen blieb: Google erzielt seine beachtlichen Umsätze nur am Rande mit Klima- und Landschaftsdaten. Vielmehr lebt der Konzern vorrangig davon, das Online-Verhalten von Milliarden Konsumenten weltweit rund um die Uhr zu tracken (was diese oft nicht wollen), um ihnen personalisierte Werbung einspielen zu können (was viele ebenfalls gar nicht wollen) für Produkte, die viele Menschen weder wollen noch brauchen. Hierbei fallen Unmengen von Daten an, die es zu speichern, zu aggregieren, zu analysieren und verfügbar zu machen gilt.

So vorbildlich Googles Bemühungen um klimaneutrale Datenverarbeitung auch sind: Den geringsten Energieverbrauch hat ein User-Tracking, das gar nicht erst erfolgt.

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(Dieser Beitrag erschien erstmals in LANline 08/2022.)

Bild: Google