Energiehunger im RZ

Ob automatisierte Geschäftsprozesse, KI, Video-Streaming oder Social Media: Die Digitalisierung expandiert unaufhörlich, damit auch ihr Energiebedarf – trotz aller Effizienzsteigerungen beim IT-Equipment und im RZ-Betrieb. Dies ist ein Ergebnis der Studie „Rechenzentren in Deutschland“, die das Borderstep Institut im Bitkom-Auftrag erstellt hat. Doch wer nur auf Effizienz- und Verbrauchszahlen achtet, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Hiesige RZ-Kapazitäten haben laut der Borderstep-Studie gemessen an der IT-Leistung von 2010 bis 2020 um 84 Prozent zugelegt, bis 2025 sollen voraussichtlich nochmals rund 30 Prozent hinzukommen. Zugleich wuchs der Energiebedarf deutscher Rechenzentren inklusive kleinerer IT-Installationen zwischen 2010 und 2020 von 10,5 auf 16 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Das entspricht einem Anteil von 0,6 Prozent am deutschen Gesamtenergieverbrauch im Jahr 2020.

Der Report rechnet vor, dass im Jahr 2030 ein RZ-Energiebedarf zwischen 23 und bis zu 35 (Mittelwert: knapp 29) Milliarden Kilowattstunden pro Jahr „wahrscheinlich“ ist – die nächste Verdopplung des RZ-Energieverbrauchs ist damit in Sicht, trotz aller PUE-Maßnahmen (Power Usage Effectiveness) und zunehmender Konzentration der IT-Leistung in hochgezüchteten Cloud-Rechenzentren.

Der Bitkom hingegen richtet das Augenmerk naturgemäß lieber auf eben diese steigende Effizienz im RZ. Schließlich liefern RZs laut dem Report gegenüber 2010 pro verbrauchter Kilowattstunde Strom fast die fünffache Rechenleistung: „Nur mit leistungsfähigen Rechenzentren können wir die dringend notwendige Digitalisierung von Wirtschaft, Bildung und Verwaltung vorantreiben“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder, „und nur mit ihnen können wir einen massiven digitalen Effizienzschub auslösen, der den CO2-Ausstoß etwa bei industrieller Fertigung, Mobilität, Gebäuden oder in der Arbeitswelt deutlich reduziert.“

Cloud befeuert das Wachstum

Insgesamt, so die Studie, gibt es aktuell in Deutschland rund 3.000 Rechenzentren mit mehr als 40 kW IT-Anschlussleistung und mindestens zehn Server-Racks. Hinzu kommen rund 47.000 kleinere IT-Installationen. Das Wachstum an RZ-Kapazitäten ist laut dem Report vor allem auf den zunehmenden Ausbau von Cloud Computing zurückzuführen: Die Kapazitäten in Cloud-Rechenzentren legten zwischen 2016 und 2021 um 150 Prozent zu, während traditionelle Rechenzentren nahezu stagnierten.

Dadurch wuchs der Anteil der Cloud-Rechenzentren von 20 auf 33 Prozent, bis 2025 soll er mehr als die Hälfte der Kapazitäten ausmachen. Zugleich sollen aber auch Edge Datacenter an Bedeutung gewinnen. „Edge Datacenter befinden sich näher am Endkunden oder an der gewünschten Anwendung“, so Rohleder. Kurze Reaktionszeiten sind zum Beispiel in der industriellen Fertigung bedeutsam.

Dass der wachsende RZ-Energiehunger ein Problem darstellt, weiß man beim Bitkom natürlich: „Im Interesse des Klimaschutzes und auch schlicht zur Verringerung ihrer Energiekosten müssen und wollen Rechenzentrumsbetreiber ihre Energiebilanz weiter verbessern“, so Rohleder. „Wir unterstützen daher Initiativen wie den Climate Neutral Data Center Pact (CNDCP), um auf europäischer Ebene belastbare Kenngrößen zu entwickeln. So können wir die Nachhaltigkeit der Branche in der EU mit gemeinsamen Standards vorantreiben.“

Große CO2-Einsparpotenziale liegen laut der Studie vor allem in energieeffizienter Klimatisierung, energieeffizienten Servern und weiteren Geräten sowie vor allem in der Nutzung der RZ-Abwärme. Diese, so Rohleder, lasse sich insbesondere in städtischen Ballungszentren für die Fernwärmeversorgung von Wohn- und Geschäftsgebäuden nutzen. „Dafür müssen die Fernwärmenetze vor Ort ausgebaut werden“, so der Bitkom-Chef, „und es braucht eine politische Flankierung, um Erzeuger und Nutzer der Abwärme zusammenringen.“

Von den im Rahmen der Studie befragten RZ-Betreibern gaben 40 Prozent an, ihre Abwärme zumindest teilweise zu nutzen, allerdings nutzen lediglich fünf Prozent mehr als die Hälfte der Abwärme. Weitere 43 Prozent haben dies laut eigenem Bekunden nach dem nächsten großen Modernisierungsprojekt vor. Bisher scheitere die RZ-Abwärmenutzung oft an fehlenden Abnehmern (56 Prozent) und der Wirtschaftlichkeit (52 Prozent).

Die Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ vom Frühjahr 2021 hatte gezeigt, dass sich bei einem ambitionierten Ausbau digitaler Technologien bis 2030 jährlich bis zu 126 Millionen Tonnen CO2 netto einsparen lassen – der CO2-Fußabdruck digitaler Technik ist hier bereits verrechnet. Vom Ziel klimaneutralen Wirtschaftens ist die IT-Branche aber noch weit entfernt. Moderne RZs funktionieren wie (immer effizientere) Fabriken. Doch sie müssten funktionieren wie ein Wald: als klimaneutrales Ökosystem. Abwärmenutzung ist daher ein wichtiger Schritt waldwärts.

(Dieser Beitrag erschien erstmals in LANline 03/2022.)

Bild: Borderstep/Bitkom