Der Kohlenmonoxid-Monolog

Rad eines geparkten SUVs.

Deutsche E-Autos spüren Rückenwind, zugefächelt durch Elon Musks ausgestreckten rechten Arm. Denn Tesla schwächelt. Laut Reuters verkaufte die Musk-Company europaweit im ersten Quartal 37,2% weniger Fahrzeuge als im Jahr zuvor – während der Markt um 28% zulegte.

Hierzulande setzte Teslas in den ersten vier Monaten laut Zeit Online 60,4% weniger Autos ab. Zugleich stieg der hiesige Absatz vollelektrischer Autos im März um 35%, im April sogar um 54% gegenüber dem jeweiligen Vorjahresmonat. Allerdings hatte der Frühling 2024 unter dem abrupten Ende der E-Auto-Förderung zu leiden. Die Messlatte lag also auf Höhe der Bordsteinkante. Im März verkauften sich laut ADAC fünf deutsche E-Automodelle besser als das Model Y des einstigen Branchenprimus.

Erwacht das deutsche Elektroauto also endlich aus seinem Dornröschen- bzw. Duracellhäschenschlaf? Schickt es sich gar an, den aufladbaren Automarkt aufzurollen? Na, mal langsam mit den jungen Pferdestärken! Nicht alles, was hierzulande gut und teuer ist, verkauft sich auch im Ausland wie geschnitten Graubrot.

In China etwa gelten deutsche Elektrokutschen laut Capital inzwischen als „altbacken“. Man bevorzugt – getrieben durch Staatspropaganda, aber eben auch per Feature-Vergleich – chinesische E-Fahrzeuge. Und für den Bully im Weißen Haus, der so gerne mit Zollklötzchen spielt, sind Boliden Made in Germany eh ein rotes Tuch. Die Folge: Zwei der wichtigsten Absatzmotoren deutscher Autohersteller stottern um die Wette.

Und dann bringt auch noch VW-Chef Blume ins Gespräch, das längst auf 2035 festgeschriebene EU-weite Aus für nicht CO2-neutrale Neuzulassungen aufzuschieben. Als ob’s keine Klimakrise gäbe. „Vorsprung durch Technik“ geht anders. Eher scheint das Motto zu sein: Wenn wir schon technisch hinterherhinken, dann wollen wir unseren Oldtimern wenigstens einen längeren Bremsweg einräumen.

Mal sehen, wie sich die Lage mit Teslas neuer Modellgeneration entwickelt. Oder wenn chinesische Hersteller, wie einst japanische, in Europa ernsthaft Fuß fassen – nichts ist unmöglich.

Es bleibt zu hoffen, dass Deutschland die elektrifizierte Aufholjagd schafft. Wie die Zukunft sonst aussehen könnte, skizziert der folgende – zugegebenermaßen fiktive – Monolog eines Marktteilnehmers, der es wissen muss:

Keiner kümmert sich um mich! Zumindest nicht mehr, seit ich damals vom Polizeiparkplatz überführt wurde zu „Rudi’s Rohstoff-Rampe“. (Wer denkt sich eigentlich solche Firmennamen aus?) Auf diesem Schrottplatz stehe ich nun zwischen einem Rentner-Audi und einem antiken Golf und roste vor mich hin. Meine Karosserie hat sogar schon ein Loch, so groß, dass man durchschauen kann. Wenn denn nur jemand gucken würde.

Dabei habe ich mal richtig was hergemacht! 340 PS, permanenter Allradantrieb, von null auf 100 in 5,6 Sekunden! Ein Geschoss in „mythosschwarz-metallic“. Sechs Zylinder und drei Liter Hubraum! Jawohl, Hubraum! Und Zylinder! Das kennt der schlumpfmützige E-Auto-Nachwuchs von heute doch gar nicht mehr!

Mein Besitzer war damals so wichtig, der ist gar nicht selbst gefahren. Also, abgesehen von dieser einen Nacht. Ihn fuhr immer ein Chauffeur von Termin zu Termin. „Aus Freude am einen fahren lassen“, hehe! Sorry, SUV-Humor. Die Einsamkeit lässt meine Manieren wohl etwas in den toten Winkel geraten.

Tja, einsam. Ausrangiert. Dabei hatte ich nie einen Unfall, anders als meine Nachbarn, beide per Abschleppwagen hier angekarrt. Ein Golf II und ein Audi 80 – da wär’ schon ein Sprung im Außenspiegel ein wirtschaftlicher Totalschaden gewesen. Bei mir hingegen: nicht der kleinste Kratzer, nicht mal ein dezentes Schrämmchen vom Ein- oder Ausparken, trotz meiner stattlichen fünf mal zwei Meter. Der Chauffeur war eben ein echter Profi, immer die Ruhe weg und „Jawohl, Herr Vorstandsvorsitzender!“, „Aber gern, Herr Vorstandsvorsitzender!“

Aber plötzlich war das Leben auf der Überholspur vorbei. Nur wegen dieser einen kleinen Kohlenmonoxid-Episode. Ich könnt’s ja verstehen, dass einer durchdreht, wenn er unheilbar krank ist oder so. Aber nur weil er die Firma – verzeihen Sie das harte Wort – „in den Graben gefahren“ hat? Echt jetzt?

OK, da hingen Hunderttausende Arbeitsplätze dran, zudem die Zulieferer, etwa für meine edlen Ledersitze. Aber es hat doch wirklich über Jahrzehnte keiner ahnen können, dass diese neumodischen Lithiumlutscher uns noble Verbrenner eiskalt rechts überholen, oder?

Ja, ich weiß: Alles wird heute elektrifiziert, alles. Eigentlich schon seit über 100 Jahren. Früher gab’s ja auch mal Kerzen und Öllampen im Haus, dann aber Glühbirnen, heute LEDs. So wie meine Blinklichter, ganz schick eigentlich. Und früher Öl- und Gasheizung, heute Wärmepumpe. Ganz am Anfang – hat mir mal ein Oldtimer an einer roten Ampel erzählt – gab’s Straßenlaternen mit Gas, laufen aber auch alle längst mit Strom. Sogar die lästige Eisenbahn: erst Kohle, dann Diesel, jetzt Oberleitung.

Aber bei uns Automobilen, da wird sich doch hoffentlich das Prinzip Verbrenner weiterhin halten, oder? Das wird man doch wohl erwarten dürfen, dass da für altbewährte Traditionstechnik mal eine Ausnahme gemacht wird von dieser leidigen Elektrifizierung!

Wird nur eben nicht gemacht. Aber deshalb gleich durchdrehen, den Gartenschlauch holen und in der Garage meinen Drei-Liter-V6-Motor anstellen? Ohne zu bedenken, was dann aus mir wird? Mir völlig unverständlich, sowas.

Da stehe ich nun, in der hintersten Ecke von Rudi’s Rohstoff-Rampe, mit Rostflecken, Öl-Inkontinenz, platten Reifen, das früher immer blitzblanke cremeweiße Interieur voller Ruß. Das würde übrigens so eine Akku-Nuckelpinne gar nicht schaffen – versuchen Sie mal, sich mit einem E-Auto bei laufendem Motor in der Garage zu vergiften!

Oder besser, versuchen Sie’s nicht. Schließlich haben Sie ja auch nicht die einst stolze deutsche Automobilindustrie auf den Schrottplatz der Geschichte manövriert.


Hat euch dieser Text gefallen? Dann erzählt doch einem Menschen davon, den das Thema ebenfalls interessieren könnte! Denn liebevoll erstellte Inhalte verbreiten sich am besten per Mundpropaganda.
Foto: Dr. Wilhelm Greiner