Paris, Amsterdam, Kopenhagen, Barcelona: Immer mehr Städte wenden sich davon ab, öffentlichen Raum vorrangig um das Auto herum zu drapieren. Dass dies ein nützlicher Schritt ist, zeigen nicht nur die Daten der Klimawissenschaft, sondern auch die Unfallstatistiken sowie sinkende Abgaswerte und Lärmpegel.
Der PKW muss die Hoheit über den urbanen Straßenverkehr verlieren, zumal die meisten Vertreter dieser Gattung nach wie vor durch klima- und umweltfeindliche Verbrennungsmechanismen Schub erzeugen. Dennoch gehen nur wenige Politiker die Mobilitätswende so energisch an Anne Hidalgo. Die Bürgermeisterin von Paris baut ihre Stadt seit Jahren konsequent in eine autoärmere, begrüntere, lebenswertere Gegend um – und senkt damit nicht zuletzt für etliche Einwohner das Risiko, in der einst baumarmen Metropole an hochsommerlichem Hitzschlag zu sterben.
Zugleich sind nur wenige Großstädte in puncto Verkehrswende so weit wie Amsterdam. Hier prägt das Fahrrad längst das Stadtbild – und auch den einen oder anderen Parkplatz (siehe oben).
Ganz anders hierzulande: Deutsche Städte rollen meist weiterhin dem Automobil den geteerten Teppich aus. Es bräuchte erheblich mehr Verkehrswende-Engagement seitens der Politik, aber auch seitens der Bevölkerung, soll diese doch letztlich durch ihr tägliches Tun den Verkehr wenden.
Hierzu hat das Umweltbundesamt (UBA) eine Broschüre herausgegeben. Sie zeigt anhand von Fallbeispielen auf, mit welchen Maßnahmen Städte im Ausland Mobilität nachhaltiger und gesünder machen wollen. Die Broschüre unterscheidet drei Anreizarten: materiell, immateriell und spielerisch (Gamification).
Der materielle Anreiz scheint naheliegend – Geld zieht immer, könnte man meinen. So will zum Beispiel Brüssel Einwohner mit Geldprämien dazu verlocken, ihr Auto abzumelden. Die Prämie lässt sich für Alternativen verwenden: für ÖPNV-Fahrkarten, Bike- und Carsharing-Abos oder als Gutschein beim Fahrradkauf. Das UBA mahnt aber, dass derlei zu verpuffen droht, solange „starke Fehlanreize für umweltschädliche Mobilität“ bestehen. Auch Belgien bietet Steuervorteile für Dienstwagen, daher sei das Mobilitätsbudget „keine attraktive Alternative für Arbeitnehmende“. Auch hierzulande wären solche Anreize wohl eher so mittelerfolgreich, solange sich der Gesetzesrahmen nicht ändert – Stichworte Dienstwagenprivileg und Pendlerpauschale.
Doch auch Immaterielles kann den Stadtverkehr in eine positive Richtung lenken – Amsterdam und Kopenhagen machen das seit Jahrzehnten vor, etwa in Form von Ampeln, die Fahrräder gegenüber dem Autoverkehr bevorzugen, oder mittels einer Verkehrswegeplanung, bei der Autos oft nur noch „Gäste“ auf Fahrradstraßen sind.

Sehr trickreich ein kleiner Anreiz in Rotterdam: Bei Regen verlängern sich die Grünphasen der Fahrradampeln. Ein zusätzliches Licht informiert über diese Sonderschaltung – sonst würden die nassen Radler den kleinen Heim(weg)vorteil wohl gar nicht bemerken.
Manche Städte versuchen, spielerisch zu umweltfreundlicherer, gesünderer Fortbewegung anzuregen, oft per App mit Gamification-Elementen. So soll in Barcelona das „Futuremob“-Projekt Berufstätige motivieren, das Auto stehen zu lassen. Pendler treten hier per App gegeneinander an und sammeln Punkte, wenn sie zu Fuß oder per Fahrrad pendeln oder öffentliche Verkehrsmittel abseits der Stoßzeiten nutzen und so den ÖPNV entlasten. Ergänzend locken materielle Vorteile: Die Punkte kann man in Geschäften vor Ort einlösen.
Doch das Beispiel Paris legt nahe: Der effektivste Hebel für autoärmere, gesündere und ruhigere Innenstädte ist es wohl, in großem Maßstab Autostellplätze durch Grünanlagen, Fahrradwege, Spielplätze sowie Sitzgelegenheiten zu ersetzen und zudem den städtischen Autoverkehr durch (Park- etc.) Gebühren zu verteuern.
Viele deutsche Städte haben Klimaziele ausgearbeitet, schrecken aber oft vor drakonisch scheinenden Schritten zurück. Dass sich die Verkehrswende in deutschen Städten im nötigen Tempo durchsetzt, scheint angesichts der aktuellen politischen Stimmung unwahrscheinlich. Hier gilt es, die angezogene Handbremse zu lösen. Das wäre ein echter Verkehrswendehammer.
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Fotos: (c) Dr. Wilhelm Greiner
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