Der Terminator betritt die Polizeiwache. Er möchte Sarah Connor sprechen. Der Beamte am Schalter erklärt ihm, das gehe nicht, sie mache gerade eine Aussage. Darauf er: „I’ll be back.“ Sekunden später rast er mit einem Auto durch die Glasfront des Polizeireviers und richtet mit zwei automatischen Waffen ein Blutbad an, wie man es sonst nur von den Ego-Shooter-Spielen kennt, die unsere lieben Kleinen den ganzen Tag im Kinderzimmer spielen.
Die Szene aus James Camerons Science-Fiction Film „The Terminator“ ist aus drei Gründen Kult: Erstens ist es die wohl ikonischste Filmszene mit jenem Arnold Alois Schwarzenegger, dessen Karriere mit Bodybuilding begann, um dann über den Umweg der Schauspielerei in Kaliforniens Gouverneursvilla zu enden.
Zweitens schaffte es „I’ll be back“ auf die Liste der 100 bekanntesten Filmzitate ever, in einer Liga mit „I’ll make him an offer he can’t refuse“, „May the Force be with you“ und „You talkin’ to me?“.
Und drittens zeigt die Szene in komprimierter Form das Horrorszenario unserer Grundangst vor künstlicher Intelligenz (KI) und KI-gesteuerter Robotik: Autonome Roboter wenden sich gegen ihre Schöpfer und versuchen, die Menschheit auszulöschen.
Dabei sollte unsere Sorge eine ganz andere sein. Mal ganz abgesehen vom Klimawandel: Wir produzieren Müll ohne Ende (von Plastik-Archipelen im Ozean über Altkleiderdünen in der Atacama-Wüste bis zu Elektroschrott-Gebirgen), arbeiten also selber eifrig daran, unseren Planeten unbewohnbar zu machen, lange bevor Killer-Roboter uns ausradieren könnten.
Die Schrottberge wachsen und wachsen, nicht zuletzt dank des globalen Siegeszugs der IT. Denn die Faustkeile unserer Ahnen hielten ein Ahnenleben lang. Die Faustkeile unserer Zeit hingegen sind „smart“, halten also nur, bis die Sollbruchstelle der Miniatur-Elektronik versagt oder die fest verklebte Einwegbatterie den Geist aufgibt. Und schon ist das smarte Gerät unsmarter Müll.
Sarah Connor auf dem Schrottplatz
Doch es gibt Hoffnung: Die Sarah Connors der Müllvermeidung heißen Reuse (Wiederverwendung eines Gegenstands), Recycling (Wiederverwendung von Bauteilen oder Material) und Upcycling (Aufbereitung entsorgter Bauteile und Materialien zu höherwertigen Produkten).
Letzteres nimmt unterschiedlichste Gestalt an: Fleecejacken bestehen (teils) aus recycelten PET-Flaschen, der abgelatschte Wanderschuh dient als pseudo-origineller Blumentopf, und kunstvoll zusammengeschweißter Metallschrott bildet die Skulptur einer Zahnarztbehandlung en miniature. Ist wohl gedacht für Wartezimmer von Zahnärzten, um Patienten vorzuwarnen, dass ihnen eine eher rustikale Behandlung bevorsteht.
In der IT hingegen sind die Möglichkeiten für Upcycling eher begrenzt, außer man steht auf Duschvorhänge aus alten CDs oder auf Halsschmuck im modischen Motherboard-Grün mit eleganten Leiterbahn-Bordüren. In puncto Recycling und Reuse sieht’s hingegen besser aus – sogar immer besser.
Aufpoliertes liegt im Trend
Letztes Jahr ergab eine repräsentative Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom: Fast ein Viertel (24%) der Konsumentinnen und Konsumenten haben schon mindestens ein gebrauchtes Smartphone gekauft oder genutzt, weitere 36% könnten sich das vorstellen.
Dieses Jahr zeigte eine andere Umfrage des Verbands, dass auch Unternehmen auf den recycelten Zug aufspringen: 15% der Befragten gaben an, im Unternehmen seien wiederaufbereitete Endgeräte im Einsatz – bei 10% allerdings nur in Einzelfällen. Lediglich die restlichen 5% erklärten, Gebrauchtgeräte seien „in vielen Bereichen“ Usus. Weitere 15% gaben an, den Einsatz wiederaufbereiteter IT-Geräte in Erwägung zu ziehen. Immerhin: Trend nach oben.
Das Zauberwort heißt „Refurbishment“. Das ist Englisch für „Wiederaufbereitung“, klingt aber viel cooler, weil … na ja, weil es eben Englisch ist. Und so hat sich ein munterer Markt von Refurbishern gebildet, die Gebrauchtgeräte von Firmen, Behörden und/oder Konsumenten ankaufen, professionell aufbereiten und reinigen, bei Bedarf Bauteile oder Akkus ersetzen, Software-Updates aufspielen und die aufpolierte Ware vermarkten – mit Garantie und Gewährleistung, vor allem aber preisgünstiger als ein Neugerät.
Das macht Gebraucht-… sorry, wollte sagen: Refurbished-Geräte nicht nur für Teenager interessant, die glauben, jedes halbe Jahr ein neues Smartphone haben zu müssen, sondern auch für Unternehmen. Denn abgesehen von der Kostenersparnis hat das Unternehmen dann auch gleich etwas, das es stolz im Nachhaltigkeitsbericht präsentieren kann – Refurbishment schlägt zwei Fliegen mit einer instand gesetzten Klappe.
Das Business mit Aufpoliertem läuft gut. So richten z.B. die großen IT-Ausrüster wie Dell und HPE Gerätschaft aus dem Business-Segment wieder her. HPE etwa meldete Anfang des Jahres, man habe im Geschäftsjahr 2023 weltweit 4,2 Millionen Gebrauchtgeräte verarbeitet. Zwei Drittel davon waren laut Angaben des Konzerns Server und PCs, und von denen habe man 86 bzw. 94 Prozent aufbereiten können und wieder in Umlauf gebracht.
Zu den Wiederherrichtern zählen neben Größen wie Amazon, Apple, Dell und HPE diverse Spezialanbieter, darunter Back Market, Refurbed, reBuy sowie das Inklusionsunternehmen AfB social & green IT. Dieser gemeinnützige Refurbisher berichtete kürzlich, er habe im ersten Halbjahr 241.000 gebrauchte IT- und Mobilgeräte von 438 Unternehmen und Behörden angekauft oder als Spende erhalten.
Von den bearbeiteten Geräten konnte AfB laut eigenen Angaben 71% wiedervermarkten. Dank dieser Tätigkeit, so AfB, habe man rund 23.000 Tonnen CO₂-äquivalente Treibhausgas-Emissionen und 173 Millionen Liter Wasser eingespart, zudem 86 Millionen kWh Primärenergie, umgerechnet also den jährlichen Stromverbrauch von etwa 24.000 Haushalten.
Möglichkeiten und Grenzen der Wiederverwendung
„Themen wie Recycling und Urban Mining, also Rohstoffrückgewinnung aus Produkten im Sinne einer Kreislaufwirtschaft, sind in den letzten Jahren stark in den Fokus gerückt“, berichtet Kai Keune, Sustainable Business Development Manager bei AfB. Zugleich sei es AfB in letzter Zeit gelungen, mehr Produkte in die Wiederverwendung zu bringen. „Wenn es eine Möglichkeit zu Reuse gibt, ist dies gegenüber einem Recycling immer der sinnvollere Weg“, betont er.
Doch er beklagt die engen Grenzen der Wiederverwendung von IT: „Wenn es keine Updates für ein Produkt mehr gibt, muss man es eigentlich aus dem Verkehr ziehen. Zum Beispiel endet im Oktober 2025 der Support für Windows 10. Die Geräte könnte man eigentlich mit Open-Source-Lösungen wie z.B. Linux weiternutzen, aber das ist eben heute nicht der Standard beim Verbraucher. Oft entscheiden deshalb wirtschaftliche Faktoren, ob sich ein Refurbishment lohnt oder nicht.“
Recht auf Reparatur
Wichtig in diesem Kontext: Das EU-Parlament hat Ende April ein Recht auf Reparatur beschlossen. Die EU-Richtlinie trat im Juli in Kraft, bis Juni 2026 muss sie in nationales Recht umgesetzt sein. Die Hersteller sollen „rechtzeitig und kostengünstig Reparaturen durchführen und die Verbraucherschaft über ihr Recht auf Reparatur informieren.“
Die Richtlinie ist ein wichtiger Schritt, um Verbraucher in ihren Rechten zu stärken. „Eine Reparatur sollte eigentlich der Standard sein“, so AfB-Manager Keune, „aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.“ Denn es gebe viele Lobbyinteressen und Kräfte in der Politik, die bremsen. „Dabei ist Reparatur ein Markt vor Ort“, sagt er, „durch Reparaturen entstehen Arbeitsplätze und Wertschöpfung hier bei uns!“
Dennoch laufe das übliche „Hase-Igel-Spiel“ zwischen Industrie und Regulierung: „So hat Apple angekündigt, dass es künftig kein Pairing von Bauteilen [Funktionsfähigkeit nur mit Apple-zertifizierten Ersatzteilen, d.Red.] mehr geben wird. Bei gestohlenen Geräten sollen die Bauteile aber weiterhin gesperrt bleiben“, so Keune.
Apple sieht dies als Maßnahme gegen Diebstahl. Doch nach Keunigs Einschätzung bietet das Pairing wenig Diebstahlsschutz: „Heute schon werden Bauteile umgebaut und Platinen umgelötet. Der Aufwand ist nur höher“, sagt er und kritisiert: „Apple macht keinen Unterschied zwischen ‚gestohlen‘ und ‚verloren‘. Bauteile von Apple-Geräten, die nach einem halben Jahr noch nicht aus einem Fundbüro abgeholt wurden, lassen sich deshalb nicht mehr verwenden, um andere Geräte wiederherzustellen.“ Ärgerlich für AfB, denn der Refurbisher unterhält viele Partnerschaften mit Fundbüros.
Reparaturen reizvoller machen
Damit Reparaturen erschwinglicher werden, muss jeder EU-Mitgliedstaat ihnen laut der Richtlinie den Weg ebnen, z.B. mit Reparaturgutscheinen, Infokampagnen oder Finanzspritzen für Repair-Cafés. „Reparaturgutscheine sind eine gute Möglichkeit, denn sie setzen die Schwelle für Reparaturen herunter und fördern die Reparatur vor Ort“, urteilt Keune. Denn leider gebe es nicht mehr – wie noch vor Jahrzehnten – den Reparateur um die Ecke. Deshalb sei es sinnvoll, mit Reparaturgutscheinen zu starten. „Die Verbraucherzentrale in Thüringen hat schon einen solchen Vorstoß gewagt“, berichtet er, „und das hat super funktioniert.“
Selbst ohne Druck durch die brandneue Richtlinie hat sich laut Keune die Refurbishment-Klientel bereits gewandelt: „Früher war der AfB-Kunde jemand, der sich kein Neugerät leisten konnte“, sagt er. „Heute sind sich die Kunden ganz oft ihres Konsumverhaltens bewusst und sagen: ‚Für ein privates Notebook, mit dem ich ein bisschen Online-Banking mache, muss es kein Neugerät sein.‘“ Dennoch sieht er noch einige Hürden, bevor Reparaturen wieder gelebter Alltag werden. Sein Rat: „Man muss es zum ‚coolen‘ Standard machen, gebrauchte Produkte zu nutzen.“
Hierzu ein Vorschlag an Apple: Beim Ausschalten eines iPhones könnte sich Siri verabschieden mit den Worten: „I’ll be back.“ Am besten mit einem harten österreichischen Akzent. Nur damit der Konsument weiß: Das Smartphone kommt eines Tages entweder als Refurbished-Gerät wieder – oder aber als Terminator, um mit dieser Spezies abzurechnen, die den Planeten so zugemüllt hat.
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Titelbild: Dr. Wilhelm Greiner, KI-generiert mittels NightCafé