The Extreme Brothers

John Landis’ Kultfilm „The Blues Brothers“ von 1980 ist konzeptionell der Vorläufer heutiger Cloud-Konzerne – und das nicht nur wegen seines Drehbuchs nach dem Motto „Move fast and break things“. Nun scheint auch der US-amerikanische Netzwerkausrüster Extreme Networks den Weg von Jake und Elwood zu beschreiten.

„The Blues Brothers“ verschmilzt eine wüst ausufernde Actionkomödie mit einem der besten Musikfilme aller Zeiten. Letztere Hälfte ist kein klassisches Hollywood- oder Disney-Musical, bei dem die Charaktere ständig unvermittelt in Gesang und Tanz ausbrechen. Vielmehr stehen die Bluesbrüder in der Tradition der Musikfilme wie „Rock! Rock! Rock!“ aus den Jugendjahren des Rock’n’Roll: Damals bot eine dürftige Rahmenhandlung, die sich um das neue Musikphänomen drehte, den Anlass (oder Vorwand) dafür, möglichst viele jener Bands zu präsentieren, die das Establishment zum Zetern und die Jugend zum Kreischen brachten.

Landis’ Film greift dieses Leitmotiv auf und treibt es auf die Spitze. Der Soundtrackvorwand hier: Ex-Knacki Jake und sein Kumpel Elwood müssen 5.000 Dollar auftreiben, damit das katholische Waisenhaus ihrer Jugendjahre seine Steuerschulden bezahlen kann. Für ein Benefizkonzert wollen sie ihre alte Rhythm’n’Blues-Band wieder vereinen. Das Aufsammeln der Musiker bin hin zum krönenden Abschlusskonzert liefert nicht nur den Anlass für Verfolgungsjagden, die in einer Materialschlachtplatte demolierter Polizeiautos enden. Zugleich bietet es die Plattform für eine Reihe von Musiknummern – diesmal nicht jugendlicher Rock’n’Roller, sondern etablierter oder gar gealterter Blues-, R&B- und Soul-Größen von Aretha Franklin, James Brown und Ray Charles bis John Lee Hooker oder Cab Calloway, der seinen Jazz-Klassiker „Minnie the Moocher“ aus den 1930er-Jahren nochmal glänzen lässt (während das Publikum beim Abschlusskonzert im Palace Hotel Ballroom zunehmend ungeduldig auf Jake und Elwood wartet: „We want the show!“).

Diesen Plattformgedanken haben die Cloud-Größen aufgegriffen: Man stellt eine Basis bereit, auf der nicht nur man selbst, sondern auch andere ihr Leistungsportfolio präsentieren, und kann so bei sämtlichen Interaktionen mit dem Publikum die Hand aufhalten. Jeff Bezos’ Amazon etwa – in Medienberichten nach wie vor gerne als „Online-Buchhändler“ tituliert – vertickt bekanntlich nicht nur Bücher, sondern versammelt auf seiner Cloud-Plattform eine Big Band von Händlern. Dabei verdient der Konzern an Provisionen, teils auch an Lagerhaltungs- und Logistikdienstleistungen. Denn heute sind Tausende LKWs und Dutzende Flugzeuge im Auftrag des Herrn unterwegs. Also des Herrn Bezos, meine ich.

Management in luftiger Höhe

Der Vorteil der Cloud ist den anderen IT-Größen nicht entgangen. Und so haben Anbieter wie Microsoft, Cisco oder HPE inzwischen Managementfunktionalität in wolkige Sphären verlegt. Ein Vorreiter im Netzwerksegment war Extreme Networks. Der Netzwerker sammelte in den letzten zehn Jahren in einem regelrechten Jake-und-Elwood-Tempo eine Gruppe von Playern auf, darunter Enterasys, Zebra, Avaya, Brocade und Aerohive Networks. Auf Basis der Aerohive-Software arrangierte der Anbieter das Management dieser Produktkakophonie zu einem einheitlichen Klangbild und transponierte es unter dem Namen ExtremeCloud IQ hinauf in Wolkenhöhe. Heute ist Extreme sehr stolz auf sein einheitliches Portfolio mit einheitlichem Management und einheitlicher Lizenzierung – und auf einen Kundenstamm, der von Fedex über die US-Flugaufsichtsbehörde FAA bis zu Samsung reicht.

Der Anbieter hat, wie Extremes Cheftechniker Nabil Bukhari bei einem Investorentag betonte, sein Portfolio innerhalb von nur drei Jahren auf die neue Cloud-first-Basis namens „Universal Platform“ umgestellt. Diese Produkte seien zu Management- und Analysezwecken von Grund auf für die Cloud-Anbindung entwickelt. Das senkt laut Extreme-Angaben Aufwand und Kosten nicht nur für den Hersteller selbst, sondern auch für MSPs (Managed Services Provider), die ein solches Cloud-gestütztes Netzwerkmanagement vermarkten.

Auf den 28 Milliarden Dollar großen MSP-Markt will Extreme in den kommenden Jahren ein scharfes Auge richten, hat man dort doch in Zeiten verbreiteten IT-Personalmangels großes Wachstumspotenzial identifiziert. Punkten will der Ausrüster hier mit einem rein verbrauchsorientierten Lizenzmodell: Man zahlt nur für das, was man nutzt – quer durch Extremes gesamtes Portfolio. Dies soll es einem IT-Partner ermöglichen, in wenigen Wochen „von null auf MSP zu kommen“, so Bukhari.

Vier Jahre nach Start der Umstellung sind nun laut seinen Ausführungen bereits 65 Prozent der Extreme-Geräte am Markt an die hauseigene Cloud angebunden, insgesamt über 2,5 Millionen Geräte. 80 Prozent der Bestellungen des letzten Quartals seien auf Universal-Platform-Produkte entfallen. Nicht nur die Zahl, auch das Volumen der Cloud-Abonnements nehme deutlich zu – laut Bukhari ein klares Zeichen, dass das Konzept einer Verwaltung via ExtremeCloud auf große Resonanz stößt.

Extreme ist dabei laut CTO Bukhari der einzige Netzwerkausrüster, der ein „Cloud-Kontinuum“ liefern kann, also eine einheitliche Netzwerk-Fabric, die alles vom Rechenzentrum über das Campus-LAN und das SD-WAN bis zu Edge-Installationen abdeckt. In die Cloud-Lizenzen integriere man zudem auch gleich die Support-Lizenz, um das Handling einfacher zu gestalten.

Zero-Trust-Erweiterung

Nun hat der Netzwerker angekündigt, das Softwareportfolio der ExtremeCloud Anfang 2024 um ZTNA (Zero Trust Network Access) zu erweitern. Dies soll es Unternehmen ermöglichen, auf einfache Weise unternehmensweit konsistente Sicherheitsrichtlinien einzurichten und diese gemäß dem Zero-Trust-Gedanken („Vertraue nie, überprüfe immer!“) zu kontrollieren. ExtremeCloud Universal ZTNA bringt laut Herstellerangaben Radius as a Service zur Nutzeridentifikation mit, integriere sich aber auch mit Identitätsanbietern wie Google Workspace und Microsoft Azure AD. Des Weiteren gebe es eine Anbindung an Endpoint-Managementlösungen wie Microsoft Intune, um die automatische Konfiguration der Endgeräte zu erleichtern.

ExtremeCloud Universal ZTNA soll die Kosten für die Zugangssicherheit senken und zugleich dafür sorgen, dass die sicheren Netzwerkzugänge nach Bedarf skalieren, erfolgt doch die Verwaltung über das gleiche Cloud-Interface wie das Netzwerkmanagement. Dies funktioniere, wie der Anbieter betont, mit Public und Private Clouds ebenso wie in verteilten Umgebungen am Netzwerkrand (per ExtremeCloud Edge) – wichtig nicht zuletzt in Deutschland, wo Unternehmen großen Wert auf Datensouveränität und mitunter auch auf lokale Datenhaltung legen.

Universal ZTNA ist laut Bukhari die erste App aus seinem Haus, die kein Extreme-Netzwerk voraussetzt. Ist ein solches aber vorhanden, integriere sich die Lösung nahtlos in die WLAN- oder auch SD-WAN-Funktionalität. Ziel sei es, Sicherheit zwischen beliebigen Verbindungen („anywhere-to-anywhere security“) zu gewährleisten.

Skalierbare Plattform

Nicht minder wichtig ist ein weiterer Punkt, den Nabil Bukhari auf der Investorenkonferenz erwähnte: ExtremeCloud dient damit nicht mehr rein dem Netzwerkbetrieb. Vielmehr positioniert Bukhari ExtremeCloud als skalierbare Plattform für Apps und Services – und dies umfasse eben nun neben Netzwerkmanagement auch Netzwerkanalyse und -Security.

Mit Copilot gibt es bereits eine App, die das Netzwerkmanagement mittels KI-gestützter Abläufe erleichtern soll. Inzwischen werden laut Bukhari bereits über 100.000 Extreme-Geräte per Copilot verwaltet. Ein KI-gestützter „Virtual Advisor“ werde in jedem künftigen Produkt enthalten sein.

Mit ExtremeCloud Business Intelligence hat der Anbieter zudem ein Analysewerkzeug im Portfolio, die speziell auf Betreiber von Veranstaltungsstätten wie etwa Sportarenen zugeschnitten ist. Denn Analyselösungen sind, wie Bukhari ausführte, sehr branchenspezifisch. Man werde künftig Analyse-Apps für weitere Branchen liefern, zum Beispiel für den Gesundheitsbereich. Und mit ZTNA kommt nun eben die erste Security-App hinzu.

Denkt man in „Blues Brothers“-Manier ein altbekanntes Konzept zu Ende, dann fällt auf: Der Begriff „Plattform“ lässt sich auch so verstehen, dass die Apps und Services nicht unbedingt aus dem Hause Extreme Networks stammen müssen. Per App Store und API könnte ein der Anbieter schließlich seine Cloud-Plattform für Partner zugänglich machen.

Mehr integrative Kooperation stünde dem Security-Markt durchaus gut zu Gesicht. Hier könnten Netzwerkausrüster wie Extreme eine wichtige Rolle spielen. Man muss sich dabei natürlich an gesetzliche Vorgaben etwa zum Datenschutz halten, will man nicht wie Jake, Elwood und ihre Band letztlich doch hinter Gittern landen. Für Compliance und Security-Zertifizierungen ist laut Nabil Bukhari bei Extreme jedenfalls gesorgt.

Eine nahtlose herstellerübergreifende Integration von Netzwerkbetrieb und -sicherheit ist allerdings noch Zukunftsmusik. Doch Jake und Elwood lehren uns: Schart man die richtigen Player um sich, dann ist ein Zusammenspiel möglich, das richtig rockt, rockt, rockt! Also: Auf zum Palace Hotel Ballroom – we want the show!

*****

Hat Ihnen dieser Text gefallen? Dann erzählen Sie doch einem Menschen davon, den das Thema ebenfalls interessieren könnte! Denn liebevoll von Hand erstellte Inhalte verbreiten sich am besten per Mundpropaganda.

Bild: Dr. Wilhelm Greiner, KI-generiert mittels NightCafé