Reif für die Überseeinsel

„Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier“, beklagt ein Schlager aus Wirtschaftswunderzeiten und schlussfolgert konsequent: „Drum fahr’ ich nicht nach Hawaii, drum bleib’ ich hier.“ Manch einen zieht es an ferne Überseestrände, mitunter gar, um dort den Lebensabend zu verbringen. Doch selbst in der Ferne will der Deutsche Vertrautes nicht missen, weder in puncto Kulinarik noch Braukunst. Warum aber in die Ferne schweifen, wenn ein Stadtentwicklungsprojekt mit dem verlockenden Namen „Überseeinsel“ so nah liegt? Zumal die Pläne dort vorbildlich durchdachten Lebensraum vorsehen.

Die Überseeinsel befindet sich nicht im fernen Pazifik, sondern nordwestlich der Bremer Innenstadt. Sie ist auch keine Insel, sondern eine Halbinsel zwischen dem Bremer Europahafen und der Weser. Wohnlich ist das Wohnquartier derzeit ebenfalls nicht, sondern ein einziges Hämmern, Schrauben und Bohren – aber ein sehr spannendes. Denn Bremen bastelt hier an einem Vorzeigeprojekt für anwohner- und umweltfreundliche Bebauung.

Das 15 Hektar große Quartier soll künftig Wohnungen, Büros, Restaurants, Geschäfte, eine Schule, ein Hotel und Freizeitanlagen umfassen. Sein Herzstück bildet das ehemalige Werksgelände der Firma Kellogg’s. (Wer’s nicht kennt: Die macht so Frühstücksflocken.) Insbesondere auf diesem Areal wird flockig umgewidmet und umgebaut.

Die Bremer Überseeinsel rund um das ehemalige Kellogg’s-Werksgelände soll mal ein schickes Wohn-, Büro- und Geschäftsviertel werden.
Bild: Wirtschaftsförderung Bremen

Die 2020 eröffnete Schule soll bis 2025 zur dreizügig integrativen Grundschule wachsen. Das ehemalige „Reislager“ beherbergt eine Brauerei (nimm das, Hawaii!) und zwei Restaurants, künftig soll es das Lebensmittelzentrum des Wohnquartiers bilden. Das „Vitaminlager“ nebenan bietet Platz für Büros und ein Café. Eigentlich sollte dieser Umbau schon abgeschlossen sein, er wirkte beim Ortstermin Anfang Oktober aber noch eher baustellig im Ambiente.

Das ehemalige Reislager im Zwischenstadium des Büroneubaus mit Zementsacklager.

Für die ehemaligen Getreidesilos haben sich die Architekten Originelles einfallen lassen. Silos sind für die Umwidmung eigentlich der Horror, sind sie doch erstens potthässlich und zweitens als runde Bausubstanz reichlich unpraktisch. Die Lösung: Hier soll ein Hotel mit 117 Zimmern rein. Da können dann Besucher von sich sagen, sie haben mal in einem Silo übernachtet – dank großer Fensterfronten sogar mit schönem Blick auf die Weser, den das Getreide früher nicht hatte.

Das Ex-Kellogg’s-Gelände – im Bild das „Vitaminlager“ – soll ein Hotel umfassen, das seine Gäste in vormaligen Silos – im Bild links hinten, eingerüstet – unterbringt.

Die ehemalige Cornflakes-Fabrik soll Wohnungen und Lofts beherbergen, ein Hängegarten soll das Kesselhaus nebenan mit der Fabrik verbinden. Vorgesehen ist angrenzend eine Reihe weiterer Bauten, darunter das Grøn mit Fassadenbegrünung und Dachgarten.

Schlau: Die Planer wollen das Quartier weitgehend autofrei halten – schließlich ist auf der Halbinsel alles fußläufig zu erreichen. Die Straßen geben Fußgängern und Fahrrädern den Vorzug, Parkmöglichkeiten soll es nicht geben – allein das beschränkt den Autoverkehr auf das Unvermeidbare. Die Autos von Anwohnern und Besuchern will man zentral in unter- und oberirdischen Parkhäusern verstauen. Von-A-nach-B-kommen-Wollende verweist das Planungsbüro auf E-Shuttles, Bike- und Carsharing, Leihfahrräder und -lastenräder sowie den öffentlichen Nahverkehr. Auch soll es sichere Stellplätze für die Fahrräder und E-Bikes geben – in vielen deutschen Städten sucht man die vergeblich.

Nicht minder fortschrittlich ist das Energiekonzept: Energie soll möglichst aus lokalen regenerativen Quellen kommen: von nahen Windkraftanlagen, Photovoltaik sowie per Wärmetauscher aus der Weser. Als Pufferspeicher ist ein unterirdischer Eisspeicher in Arbeit. Denn bei der Erzeugung von Kälte entsteht Abwärme, die sich als Nahwärme nutzen lässt. Rückfragen von Yours Truly zum Eisspeicher beantwortete das Projektbüro allerdings nicht – ebenso wenig die Frage, wie groß die Nachfrage nach Wohnraum ist. Denn schicke umgewidmete Viertel sind erfahrungsgemäß teuer – da steht die Frage im städtischen Raum, ob es ausreichend zahlungskräftige Klientel gibt oder wo sie herkommen soll.

Das alternative Urban-Gardening-Projekt „Gemüsewerft“ darf bleiben. Immer nur Glas und Beton ist schließlich auch fad.

Neben den Neu- und Umbauten darf auch manches Bestehende bleiben, so die „Gemüsewerft“. Auf einem ehemaligen LKW-Parkplatz züchtet hier ein Sozialprojekt Gemüse, Obst und Hopfen in Pflanztrögen. Und es betreibt einen kleinen Biergarten. Auf dieser Überseeinsel ist also dafür gesorgt, dass die vertraute vegane Hopfenkaltschale so schnell nicht ausgeht.

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Bilder: Dr. Wilhelm Greiner (sofern nicht anders angegeben)
Cartoon: (c) Wolfgang Traub