Heimliche Hausordnung

Was wohl der Algorithmus von Linkedin der Nutzerschaft alles nicht präsentiert? Die Hausordnung der „digitalen Mall“ ist online, das Wirken des Algorithmus aber Geschäftsgeheimnis. Kürzlich fiel einer meiner Posts unter den Linkedin-Ladentisch.

Meine Linkedin-Posts verweisen meist auf neue „IT Info 2 Go“-Blog-Posts. Meines Wissens drosselt Linkedin die Verbreitung von Posts, die auf externe Sites verweisen – die Nutzer sollen schließlich vor Ort bleiben. Aber was soll’s, ich bin Journalist und kein – wie die Bayern es aussprechen – „Influenza“. Und so erzielen meine Linkedin-Posts meist nur so 1.000 oder 2.000 Views und zwei, drei Dutzend Likes.

Eines Morgens – die Älteren werden sich erinnern – postete ich den Hinweis auf einen Blog-Post über australische Forscher, die Betrugsanrufer (Scammer) mit Chatbots möglichst lang an der Strippe halten, um sie an ihrem üblen Treiben zu hindern. Während sich meist bis Mittag das erste Dutzend Reaktionen ansammelt, diesmal: nichts … gähnende Leere … eine zirpende Grille … Ruhe.

Da hatte ich einen Verdacht: Es könnte am Bild liegen. Auf meinem Blog verwende ich mit großer Regelmäßigkeit und noch größerer Begeisterung die wunderbaren IT-Cartoons von Wolfgang Traub, einst per Brainstorming mit Yours Truly als Coverbilder für die Zeitschrift LANline angefertigt (an denen er mir netterweise die Nutzungsrechte eingeräumt hat). Für den Artikel über die widerspenstigen Australier – Titel: „Die dämonische Macht der KI“ – hatte ich einen Cartoon gewählt, der eine berühmte griechische Skulptur karikiert: die Laokoon-Gruppe.

Die Laokoon-Gruppe, heute im Vatikanischen Museum beheimatet, zeigt den Todeskampf des Namensgebers und seiner beiden Söhne als Ringen mit einer Schlange; in der cartoonesken Persiflage kämpft der olle Grieche mit einem Ethernet-Kabel – doch auch diese zeigt einen fast nackten Mann, umrahmt von zwei recht leichtbekleideten Knaben. Stufte der heilige Linkedin-Algorithmus den Link auf meinen Blog-Post als Verdachtsfall für Anstößiges ein und ließ ihn elegant unter der Ladentheke verschwinden?

Also: Ärmel hochkrempeln zum Selbstversuch! Ich ersetzte das Blog-Post-Bild, änderte den Titel ab (und so das Verlinkungsziel), postete den Hinweis erneut auf Linkedin – und voilà: Der neue Beitrag erzielte nun immerhin ein paar Hundert Impressions und ein gutes Dutzend Likes. Vielleicht war das Zufall und ich werde auf meine alten Tage etwas paranoid. Aber bestimmt war es eines: undurchsichtig.

Und die Moral von der Geschicht’: Trau dem Algorithmus nicht! Eine digitale Mall wie Linkedin gibt die Regeln für unser Online-Miteinander vor, doch anders als beim privatisiert-klimatisierten Einkaufen – sorry, es muss natürlich heißen: „Shopping-Erlebnis“ – sind wir hier abhängig von obskuren Mechanismen, die wir nicht durchschauen können und wohl auch nicht durchschauen sollen.

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Cartoon: (c) Wolfgang Traub