Rettung aus der Wolke

Bei einem Notfall in Düsseldorf muss in sechs Minuten ein Rettungswagen vor Ort sein, die Feuerwehr in acht. Die Wahl der Standorte für Einsatzfahrzeuge ist daher kritisch. Düsseldorf setzt dazu auf Analysen per Google Cloud. Dies ist nur ein Beispiel für die vielen Dinge, die Google hierzulande mit seiner Cloud und KI umsetzt – und noch vorhat.

„Je schneller die Hilfe da ist, umso wirksamer ist sie“, sagt David von der Lieth. Deshalb, so der Leiter der Feuerwehr und des Rettungsdienstes Düsseldorf, befinde sich ein Rettungsdienst in einem permanenten Planungsprozess, um jedes Haus in Einsatzgebiet schnell zu erreichen. Die Abdeckungsanalyse für Feuerwachen und Standpunkte von Rettungsfahrzeugen habe dynamischen Charakter: Man müsse Fahrzeuge schnellstmöglich reallokieren, Lücken in der Abdeckung aufspüren und temporäre Standorte festlegen können.

Das gilt nicht nur für Variablen wie etwa Großereignisse, sondern auch mit Blick auf die Städteplanung: „Die urbanen Räume entwickeln sich gigantisch“, sagt der Rettungschef, zugleich wandle sich die Straßennutzung („Intermodalität“), damit auch die Befahrbarkeit der Wege für Rettungskräfte.

Um in diesem urbanen Treiben die besten Standorte für Rettungskräfte zu ermitteln, waren laut von der Lieth früher Standalone-Softwaresysteme „mit immenser Einarbeitung“ und Gutachten mit monatelangem Vorlauf nötig. Heute hingegen liefert ein Google-Cloud-basiertes Analysewerkzeug Ergebnisse in wenigen Minuten.

Auf diese Option stießen die Retter in der Pandemie: Per Rundschreiben an alle Düsseldorfer über 70 Jahren ermittelte die Stadt jene rund 4.000 Menschen, die nicht zu Impfzentren gehen konnten, also zu Hause geimpft werden mussten. Das Problem: Eine bereits aufgezogene Mehrfach-Impfampulle muss man erschütterungsfrei transportieren – sprich: im Spezialbehälter und zu Fuß. Mit einem speziell entwickelten Google-Tool identifizierten die Düsseldorfer die Standorte für Impfmobile, um möglichst viele Patienten in sechs bis zehn Minuten fußläufig zu erreichen. Schon während dieser Entwicklung war von der Lieth klar: „Genau so etwas brauchen wir, um unsere Standortanalysen zu machen!“

Auf der Basis von Google Maps und Google Cloud haben die Rettungskräfte in Düsseldorf laut von der Lieth heute ein schnell einsetzbares Analysewerkzeug (siehe Bild oben), das stets das aktuelle Straßennetz (obschon nicht die aktuelle Verkehrslage) kennt, Bevölkerungsdaten als Overlay einbinden kann, von vielen Arbeitsplätzen aus verfügbar und einfach zu bedienen ist, also inklusive nützlicher Funktionen wie Zoom oder dem Setzen von Markierungen.

Das Tool gebe Auskunft über die Abdeckung und Zeitverteilung, die sich mit einer bestimmten Standortverteilung erzielen lässt. Da zum Beispiel bei einem Herzinfarkt jede Minute zählt, arbeite man daran, die Abdeckung mit diesem Werkzeug weiter zu optimieren. In puncto Stadtentwicklung wiederum könne man virtuell neue Standorte entstehen lassen und sehe die damit erzielte Wirkung sofort auf der Landkarte (siehe Bild).

Google-Engagement in Deutschland

Nicht nur in Düsseldorf hat Google mit seiner Cloud- und KI-Power noch viel vor. Laut Bernd Wagner, Managing Director Google Cloud Deutschland, will der US-Konzern mit seinen Technologien dazu beitragen, dass Deutschland angesichts aktueller Konflikte digitale Souveränität erreicht: „Wir haben uns ganz klar committet zu Deutschland“, betont Wagner, europaweit schreite der Ausbau der Cloud-Infrastruktur voran.

Im gerade entstehenden Cloud Space in München will Google seinen Kunden Cloud-Technologien begreifbar machen. Mit Hilfe hauseigener Spezialisten könne ein Interessent dort Use Cases erstellen, um Herausforderungen mit Googles Cloud-Technik zu bewältigen. Neben der Expansion der Frankfurter Cloud-Region in Hanau ist laut Wagner auch die Cloud-Region Berlin-Brandenburg sehr wichtig, um Hochverfügbarkeit in Deutschland zu gewährleisten. Hinzu komme ein Rechenzentrum von T-Systems, in dem eine souveräne Cloud Air-gapped (also streng abgesichert) entstehe. Niemand von Google, auch keine deutschen Beschäftigten, werden laut Wagner Zugriff auf diese Cloud-Umgebung haben.

Die Cloud-Größe kann für ihre Vorhaben auf eine umfangreiche Partnerlandschaft zugreifen. Dazu zählen laut Wagner große Namen wie Deloitte, Accenture, Atos, Tata oder Wipro ebenso wie „kleinere Boutique-Partner“ etwa im Versicherungs- und Bankenumfeld, wo Google mit Signal Iduna ein Leuchtturmprojekt umgesetzt habe. „Da sind wir sehr breit aufgestellt und auch sehr offen“, sagt Wagner, nicht zuletzt mit Partnern wie C3AI, die mit ihren KI-Lösungen auf der Google Cloud aufsetzen.

Die Cloud und der Klimawandel

Das Thema Klimaschutz sei „super-wichtig“, so Wagner. Seit 2006 sei Google CO2-neutral, der Versorger Engie habe sich verpflichtet, mindestens 80 Prozent der benötigten Energie aus regenerativen Quellen zu liefern. Für die Umsetzung der Klimawande quer durch die Branchen sieht Wagner IT als „signifikanten Hebel“. So habe der Proof-of-Concept eines großen Autoherstellers in seiner Lackierstraße – einem sehr energieintensiven Prozess – ergeben, dass sich hier mit Google-Technik rund 20 Prozent Energiekosten einsparen lassen. „Das entspricht einem hohen zweistelligen Millionenbetrag“, sagt Wagner.

Die Google Cloud helfe Flughafenbetreibern per Analyse aktueller Winddaten, Flugzeuge kerosinsparender landen und starten zu lassen, bei VW erfolge die Entwicklung energieeffizienterer Autos in Googles Wolke. Neben Aerodynamiktests mittels KI-basierer Windstromanalyse seien auch Crashtests neuer Fahrzeugmodelle mit Simulationen statt physischer „Erlkönige“ nützlich, um Zeit, Geld und Material zu sparen.

An der Security-Front tut sich bei Google ebenfalls einiges: Letzten Herbst übernahm der Konzern den US-amerikanischen Cyberabwehr-Spezialisten Mandiant für 5,4 Milliarden Dollar, Anfang dieses Jahres dann für 500 Millionen Dollar Siemplify, ein israelisches SOAR-Startup (Security Orchestration, Automation, and Response). Mit deren Software, so Wagner, lasse sich die Reaktion auf Cyberangriffe „großräumig automatisieren“ – eine nützliche Ergänzung zu Googles wachsendem Security-Arsenal. Schließlich wünschen sich angriffsgeplagte Security-Verantwortliche, dass auch bei bei digitalen Notfällen die Rettung nach spätestens sechs Minuten vor Ort ist.

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(Dieser Beitrag erschien erstmals in LANline 03/2023.)

Bild: Google Cloud