EdiGPT

„Schreibe ein Editorial mit zirka 2.000 Zeichen Länge zum Thema ‚ChatGPT und die Zukunft der Arbeit‘.“ Copy. Paste. „Eine informative Lektüre wünscht …“ – fertig. So schnell und einfach könnte Journalismus heute gehen. Hätte ich also machen können. Habe ich aber nicht. Aus Gründen.

Der erste sollte offensichtlich sein: Wer so arbeitet, rationalisiert sich selbst weg. Eine dpa-Meldung von hinten nach vorne auf 1.000 Zeichen zu kürzen und dann „(dpa)“ davorzusetzen: Das ist für jede künstliche Intelligenz (KI), die auch nur halbwegs was auf sich hält, eine Fingerübung – man möchte als Journalist nicht in der Haut eines Kollegen stecken, der hauptberuflich so arbeitet. Aber das möchte man schon deshalb nicht, weil diese Tätigkeit unendlich öde ist.

Dies führt direkt zum zweiten Punkt: Die interessanteren Einsatzfälle werden künftig jene sein, in denen eine KI den Berufstätigen die Hauptlast der Arbeit abnimmt, sodass sie lediglich für die Qualitätskontrolle sorgen müssen. Im Pressekontext: KI macht den Autor zum Redakteur. Allgemein: Es dürfte zahlreiche Berufsbilder geben, die sich auf die kritische Prüfung und Korrektur von KI-Ergebnissen verlagern. Hier schließen sich zwei Fragen an: Erstens, wie lässt sich diese Assistenzfunktion optimal nutzen? Zweitens, wie lange wird es dauern, bis KI auch die Qualitätssicherung verlässlich übernehmen kann?

Beruflicher Erfolg scheint mir angesichts der ebenso beachtlichen wie teils auch bedenklichen Fortschritte bei analytischer, prädiktiver und letzthin eben auch generativer KI künftig vorrangig auf zweierlei Weise möglich: Entweder man bleibt stets am Puls der Zeit, um mittels KI-Einsatz die Konkurrenz auszustechen – Beispiel: Ein Übersetzer mit DeepL-Abo hängt selbst Muttersprachler beim Gros der Übersetzungsarbeiten locker ab.

Oder aber, Ansatz Nummer zwei: Man sucht sich eine Nische, wo es auf liebevolle Handarbeit, Originalität oder Empathie ankommt – also Bereiche, die Remix-Meister wie ChatGPT wohl zuallerletzt erobern werden. Beispiel: Gedichte übersetzen – hier stößt KI an Grenzen. Der Autor dieser Zeilen wiederum bewegt sich seit drei Jahren gezielt weg von klassicher Fachmagazinschreibe und pflegt längst einen Stil, der fröhlich zwischen Fachjournalismus, Satire und Feuilleton oszilliert.

„Schreibe ein Editorial im Stil von LANline-Autor Wilhelm Greiner“ – solange ich das besser kann als eine KI, bleibe ich im Geschäft. Also, höchstens solange – das Leben birgt schließlich auch noch das eine oder andere Risiko jenseits der KI.

(Dieser Kommentar erschien erstmals als Editorial in LANline 03/2023.)

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Bild: (c) Wolfgang Traub