(Hinweis: Dieser Blog-Post stammt aus dem Juni 2020, sprich: aus Corona-Lockdown-Zeiten. Seine Kernaussage ist aber nach wie vor aktuell. Doch, echt!)
Damals, als plötzlich alle Klopapier horteten, habe auch ich hamstergekauft, allerdings bedrucktes Papier: Kurz vor dem Lockdown zog es mich zur Buchhändlerin meines Vertrauens.
Meine Kalkulation damals: Selbst in ausgangsbeschränkten Zeiten kann man sich jederzeit im Supermarkt grundversorgen; wenn aber kleine Buchläden geschlossen bleiben müssen, ist unklar, wann man wieder Literatur aus freundlicher und fachkundiger Hand überreicht bekommt – also besser schnell noch Druckfrisches horten!
Anno Coronae kann man natürlich jederzeit Bücher (oder sonstwas) bei Amazon ordern, und der Postbote bringt das am Folgetag. Zwar gemäß Murphys Gesetz wenn man gerade duscht, aber immerhin. Doch ich beziehe mein Leserattenfutter lieber lokal – nicht allein, um die Buchhändlerinnen von nebenan im Wettbewerb mit der übermächtigen Konzernkonkurrenz zu unterstützen. Und auch nicht nur, weil man sich mit den beiden freundlichen Damen dort erheblich netter über Literatur austauschen kann als mit einem Chatbot oder Empfehlungsalgorithmus.
Vor allem meide ich den US-Verkaufsmoloch, so gut es im Alltag eben geht, weil er eine wohlgeölte Steuervermeidungsmaschine ist – Amazon-Chef Jeff Bezos, der dieser Tage mit Bill Gates um den Titel des reichsten Menschen der Welt ringt, entrichtete 2017 und 2018 in den USA exakt null Dollar Einkommenssteuer.
Wie wichtig aber ein funktionierendes – also ausreichend finanziertes – Staatswesen ist, hat die Corona-Krise drastisch vor Augen geführt. Zumindest forderte letzthin nicht mal die FDP, die Pandemiebekämpfung dem „freien Kräftespiel des Marktes“ zu überlassen.
Dieses Spiel beherrschen multinationale Konzerne aus dem Effeff. Ein beliebter Schachzug ist die steuerminimierende Standortwahl. Amazons Europazentrale etwa sitzt wohlweislich in der Fiskus-Resterampe Luxemburg. Dort zahlt der Konzern 1,2 Prozent Steuern – hach schau an, doch so viel!
Zugleich erobert Amazon in immer mehr Märkten eine Vormachtstellung – und erzeugt damit einen Sog, der wiederum immer mehr Händler auf Amazons Handelsplattform zwingt. Der Fluchtpunkt Bezos’schen Geschäftsgebarens ist das Konsum-Monopol – nicht unähnlich der „Goliath Corporation“ aus Jasper Ffordes Fantasy-Literaturkrimis der „Thursday Next“-Serie. Dort beherrscht Goliath eines Tages den Markt komplett, sodass der Konzern seine Gewinne nur noch steigern kann, indem er sich zur Religion erklärt – Seelenheil hat immer Konjunktur, und Konsum ist eh unsere neue Religion.
Dank der Krise kann Amazon seine Marktmacht in schönster Goliath-Manier zementieren: Der Konzern hat angekündigt, aufgrund eskalierender Nachfrageallein in den USA 100.000 Stellen zu schaffen.
Mir hingegen hat die Phase von Home-Office und Home-Home gezeigt: Ist die Grundversorgung – inklusive Internet natürlich – erst mal gesichert, kommt man für ein paar Wochen sehr gut ohne das übliche First-World-Shopping-Verhalten aus – und erst recht ohne Amazons orwellianische Nutzerüberwachung und das goliathöse Sortiment. Für das kleine Konsumräuschchen zwischendurch gibt’s ja immer noch den Buchladen um die Ecke. Oder die Eisdiele gegenüber.

Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.